Charles Koechlin

*  27. November 1867

†  31. Dezember 1950

von Otfrid Nies

Essay

Drei Jahre vor seinem Tod schrieb Charles Koechlin mit Blick auf die relativ seltenen Aufführungen seiner Musik: »Mir bleibt die Hoffnung, dass man eines Tages von selbst darauf kommen wird, und wenn ich noch einige Jahre lebe, werde ich vielleicht meine Offrande musicale sur le nom de BACH [op. 187 (1942/46)] und meine symphonische Dichtung Le Buisson ardent [op. 203 / 171 (1945/38)] noch hören können« (Hörfunktext 1947). Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Zwar wurden diese beiden Werke aus seiner letzten Schaffensphase posthum (1973 bzw. 1951) uraufgeführt, aber trotz vereinzelter Aufführungen sowie einer nicht geringen Zahl von Tonträgerveröffentlichungen hat Koechlins Musik bis heute ein breiteres Publikum kaum erreichen können. Die Gründe erscheinen vielfältig; sie liegen auch in Koechlins Musik selbst, die sich nicht aufdrängt, vielmehr eine zunächst eher verhaltene Wirkung ausübt.

Koechlins ursprüngliche Begabung als Komponist liegt auf dem Gebiet der harmonischen Imagination sowie im souveränen Umgang mit dem Instrument Orchester. Die rhythmisch-agogische Kraft und die Erfindung einprägsamer thematischer Bildungen bleiben dahinter nicht selten zurück. Koechlins Musik entwickelt sich inventionsartig; sie ist permanenter Veränderung unterworfen und vermeidet Wiederholungen oder symmetrisch gebaute Perioden. Die weitgespannten Phrasen sind fließend und frei, ...